„Du musst ’ne Type sein!“

Jörg Schmid – ein „Wildbaker“ – im Gespräch

Die Bäckerbranche hat mächtig Aufwind bekommen, ganz besonders der Bereich Brot. Es vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht in der Presse, in Funk oder Fernsehen präsent sind: die Wildbakers. Jörg Schmid und Johannes Hirth, so sagt man ihnen nach, revolutionieren derzeit das Bäckerhandwerk.

Heute treffe ich mich mit Jörg Schmid – dem übrigens jüngsten Brotsommelier Deutschlands – in Gomaringen. Ich habe es geschafft, ihn zwischen Backstube, Radiointerview und dem Kreieren neuer Produkte für einen Interviewtermin zu gewinnen. Aus den geplanten 20 Minuten wird dann sogar ein Zeitslot von über einer Stunde. Mein Ziel ist es, nicht nur Neues über die wilden Brote zu erfahren, sondern auch welche unternehmerischen Aspekte bei der Familie Schmid eine Rolle spielen.

Beide Großväter – sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits – waren Bäcker. So war Jörg Schmid schon als Kind mit diesem Handwerk vertraut. „Der Teig war seine Knete“ – so schreibt er auch in seinem Buch „Von zweien, die auszogen, das perfekte Brot zu backen“. Dass er einmal in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters treten wird, war ihm schon früh klar.

„Ich hab das nicht ungern gemacht, aber auch nicht dafür gebrannt“, erzählt er vom Beginn seiner Karriere. Wichtig war ihm und auch der Familie, dass er die Ausbildung nicht im eigenen Familienbetrieb macht. Das sei besser für ihn und auch die Mitarbeiter. Nach seiner Ausbildung hat er in acht weiteren Bäckereien im In- und Ausland gearbeitet. Einmal auch als Chef-Patissier in einer Sterneküche in der Schweiz. „Cool war das damals. Um 22 Uhr beginnst du mit dem Backen und morgens um sieben Uhr gehst du dann mit den Kollegen auf den Berg und nimmst bei Sonnenaufgang die ersten Snowboard-Kurven.“ Seine Augen leuchten.

Klar ist, der Tag als Bäcker beginnt früh. „Ach, so früh ist das eigentlich gar nicht“, meint er. Auf meine Frage, wie denn ein typischer Tag bei ihm anfängt, sagt er: „Ich beginne um 3.30 Uhr und dann ist das ganz klassisch. Handy checken, Laptop an, Kaffee machen und eine Runde durch die Produktion.“ Wenn es Engpässe oder Sonderbestellungen gibt, dann greift er den Kollegen schon mal unter den Arm. Und samstags, das ist sein Tag: „Da stehe ich dann schon mal zwölf Stunden in der Backstube.“ Heute brennt er für die Backkunst und ist seinem Handwerk mit Haut und Haaren verschrieben. Das merkt man auch, wenn er anfängt, von seiner Arbeit zu erzählen. Seit acht Jahren ist er zurück im heimischen Betrieb. Der Vater, so erzählt er, wollte dann ein wenig zurücktreten. Doch mit den neuen Ideen, die der Jungstar mitgebracht hat, wird seither eigentlich noch mehr Gas gegeben. Vater und Sohn sind sich auch darin einig, dem handwerklichen Ursprung des Bäckerhandwerks wieder intensiver nachzugehen. Den technischen Aufschwung in der Backwelt habe man zwar mitgemacht; doch heute gehe auch bei der Familie Schmid der Trend zu Retro. „Fachtechnisch musst du auf Zack sein“, sagt Schmid, „und die Qualität muss stimmen.“ Dafür kauft er nur gute Rohstoffe ein. Jedes Rezept stamme von ihm, dem Vater oder dem Opa und sei auf die modernen Bedürfnisse angepasst worden. Was Schmid mit „modern“ meint, möchte ich wissen. „Nun, wenn du früher ein Dinkelbrot gegessen hast, dann war das eher eine trockene Angelegenheit. Das hat das Korn so an sich. Aber wenn du Teile des Dinkels mit der sogenannten Kochstück-Methode vorkochst, dann hast du heute ein saftiges Dinkelbrot.“ Er lächelt und ergänzt: „Das bei uns mittlerweile meistverkaufte Brot.“

Wie man im Unternehmen Schmid Auszubildende und junge Menschen motiviert, möchte ich wissen. „Eigentlich machen wir nichts Besonderes“, so Jörg Schmid. Er hat zwei Flüchtlinge eingestellt und, was er auch bemerkt: „Wir haben sogar zwei Studierte als Konditoren bei uns. Die wollten nach ihrem Studium eben doch was Handwerkliches machen.“ Und dann geht er doch noch in die Tiefe und erläutert das Besondere: „Bäcker sind ein eigenes Volk. Du musst ’ne Type sein“, so seine Erläuterung für das Handwerk. Das hat natürlich mit den Arbeitszeiten zu tun und mit den Aufgaben, die er vor allem als Selbstständiger hat. Da geht es nicht nur darum, gute Produkte im Laden zu haben, sondern sich auch zeitgemäß weiterzuentwickeln. Da heißt es auf verschiedene Allergien wie etwa gegen Gluten zu reagieren.

Da es immer mehr Singlehaushalte gibt, muss auch hierfür die richtige Produktpalette angeboten werden. Low Carb oder die immer stärker ernährungsbewusste Zielgruppe sind weitere Aspekte, auf die man sich einstellen muss. Marketing ist für Schmid das A und O. „Tue Gutes und rede darüber“ – das ist ganz sein Credo. Er hält Vorträge in den verschiedenen Bäckerinnungen, hat nun mit seinem Wildbaker-Kollegen Johannes Hirth ein Buch herausgebracht und auf YouTube finden sich verschiedene Kurztrailer über seine Ar- beit. Dies wiederum wird dann über Social Media gestreut. Für Schmid ist es ganz klar: Ein moderner Marketingmix gehört auch für ihn als Bäcker zur täglichen Arbeit, um voranzukommen.

Woher er denn seine Ideen für neue Produkte bekommt, will ich noch wissen. Das seien spontane Einfälle: hier mal eine neue Zutat oder ein Teig, der anders aufgesetzt werde. Auch während seiner Zeit im Ausland hat Schmid anderes gesehen und gelernt, das er heute ebenfalls in den heimischen Betrieb einbringt. Da er 2012 in die Nationalmannschaft der Bäcker berufen wurde, werden auch dort in regelmäßigen Meetings, Trainings und Wettkämpfen immer wieder neue Produkte kreiert und getestet. Die Ausbildung zum Brotsommelier im letzten Jahr war dann noch das i-Tüpfelchen. Mit 31 Jahren ist er Deutschlands jüngster Brotsommelier. Zum Schluss erzählt er mir noch, dass das Unternehmen in viele gehobene Gastronomiebetriebe in Deutschland liefert. So haben vielleicht auch Sie bald bei Ihrem nächsten Restaurantbesuch ein Brot von Jörg Schmid auf Ihrem Teller. Lassen Sie es sich schmecken!

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von Andrea Mettenberger

www.trainerkonzepte.de

Artikel erschien in Ausgabe 7

Alle Bilder dieses Beitrags ©www.schneider-fotos.de